Zu Mail Art
Gue Schmidt, theRED
“Das Funktionsprinzip der Mail-Art unterscheidet sich vom Distributionsprinzip tradierter Kunst. Es geht um die Handlungsbereiche: Herstellen-Absenden-Empfangen-Austauschen-Weitermachen.”
Klaus Werner, in: Künstlerkarten, Ausstellungskatalog zur Ausstellung Postkarten+Künstlerkarten, Berlin 1978
“Stimulierend für Mail-Art-Aktivitäten sind weder akademisch ästhetische Richtlinien noch irgendwelche anderen Regeln tradierter ästhetischer Praxis. Ausschlaggebend ist einzig allein die aktuelle soziale Realität: In der festgefahrenen fremdbestimmten spezialen Umwelt geht es dem Mail-Artisten in erster Linie um eine Wiederherstellung des menschlichen Dialogs (Kommunikation als menschliche Qualität)”
Joachim Fiebach, in: Kreativität im Dialog, Berlin(ost), 1983
“Neben den „alternativen“ künstlerischen Äußerungen, im Gegensatz zu tradierten ästhetischen Kunstpraktiken, hat sich seit den 50er/60er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Abwendung vom Werk-Gegenstand, also eine Abwendung von der autonomen Existenz eines in sich abgeschlossenen ästhetischen Produktes, vollzogen, hin zu Kunstprozessen, in deren Verlauf Spuren zurückblieben, als Reste, als Abfälle, Denkauslöser von kurzer Lebensdauer. Das Happening, das avantgardistische Theater (living theater), der Aktionismus oder die Performance-Art sind hier zu nennen.”
“Das Dreieck Künstler-Werk-Sammler wurde zerstört; es entstand ein neues, in der Kunst recht ungewöhnliches Bezugsdreieck Künstler-Werk-Empfänger, wobei der Empfänger nicht anonym bleibt, sondern sich als Reaktion direkt in den Kommunikationsprozess in umgekehrter Weise einschaltet, d.h., der Empfänger wird zum initiierenden Künstler, und der Künstler wird zum Empfänger, und das im endlosen Wirkungsspiel.”In: Mailart, ein ernst zu nehmendes Betätigungsfeld für freie Kommunikation zwischen Völkern, Klaus Groh 1984
“Diese Zitate sind Mail-Art-Ausstellungskatalogen entnommen, so auch der dritte Text, ein Ausschnitt des Katalogvorwortes von Klaus Groh – einer etwa 30 Jahre zurückliegenden (der ersten großen und vielleicht auch der letzten) MAIL-ART-Ausstellung, die in der Wiener Sezession zu sehen war. Sie sind deshalb erwähnt, um auch Personen, deren Wissen um die Aktivität Mail-Art vielleicht ein geringes, bzw. gar kein Wissen darüber besitzen, das Spektrum derselben anzudeuten.”
“Einige der damals Beteiligten sind nicht mehr. Selbst Länder aus denen die teilnehmenden KünstlerInnen der damaligen Ausstellung (1984) kamen, gibt es nicht mehr – so zum Beispiel die DDR, CSSR und Jugoslawien. Aber auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situationen aller anderen Länder haben einen grundlegenden Wandel durchgemacht – mitunter sogar einen demokratischen.”
“Manche der südamerikanischen Länder zBsp. Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay, woher einige der Teilnehmer der damaligen Ausstellung kamen, waren zu diesem Zeitpunkt teilweise noch totalitäre Diktaturen, wodurch vermittels Mail-Art die Möglichkeit gegeben war mit außerhalb dieser Länder lebenden Personen in Kontakt zu treten, um u.a. auf die dort stattfindenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinzuweisen.”
Gue Schmidt
Barbara Höller, theRED