SPEICHERGLAS beinhaltet das Jahr 2003: Täglich wurde eine Glasplatte tagebuchartig beschrieben, gefünftelt, gestapelt, versiegelt und siebenfach zum „Wochenarchiv“ zusammengefasst. Die 365 Aufzeichnungen der Künstlerin sind in insgesamt 1820 Teile zerlegt und in 52 Kästen aufgeteilt; 5 mal 7 mal 52 – eine Unterwerfung des Gedankenstroms, eine Bändigung des intimen Schreibflusses in ein Kunstkonzept, die Transformierung von Echtzeit in das Schriftbild „ZEIT“. Die Wochenarchive, in der Anordnung von 4 mal 13 Kästen flach am Boden aufgelegt, ergeben ein Gesamtbild, in dem man das Wort „Zeit“ entziffern kann – ein Jahr Lebenszeit in einem Augenblick aufgelesen. Werden die Wochenarchive aus ihren Holzrahmen gelöst, die Bleiteile als Boden- und Deckplatten eingesetzt, die gebündelten Gläsern zu stelenartigen Objekten montiert und so in ihrer Vielzahl aufgestellt, so entsteht der Eindruck eines Monuments, einer Gedächtnisstätte in Kleinformat. Wessen aber gedacht werden soll, ist in Sabine Müller-Funks SPEICHERGLAS unter Verschluss gehalten und dem Vergessen überantwortet worden – ein Ganzes und doch eintausendachthundertzwanzig Teile.
(Maria Holter, Kunsthistorikerin ,Wien anlässlich der Ausstellung SPEICHERGLAS im Attrium der ÖBV, Wien
Zum Arbeiten am „Speicherglas“
Diese glatte, zerbrechliche, durchsichtige Glasfläche vor mir, dann dieses verletzende Bearbeiten und Eindringen in die Oberfläche mittels einer Maschine, die eine eingegrabene Spur hinterlässt, eine Gedächtnisspur aus Liniengravuren, die sich stets meinem Erinnern hinterherwinden.
Die ganze vollbeschriebene Fläche dann wieder völlig verschließen mit einem silbrig-grauen Vergessen, welches die Gravuren auffüllt und ausgleicht- scheinbar-
bis das Messer die Vertiefungen und Verletzungen wieder hervorholt, wieder sichtbar werden lässt-
ein letztes Mal noch, bevor die Gedächtnisflächen zerbrochen und als Fragmente übereinander gestapelt werden, unlesbar jetzt.
Die Worte zurückschreiben, in die Dunkelheit aus der sie gekommen sind.
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