- Forderungen
- Demo für eine andere Kulturpolitik
- Arbeitsdemonstration Daniel Aschwanden
- Ö1-Kulturjournal: Freie Gruppen fordern neue Kulturpolitik für Wien
- der.Standard.at: Geförderte "Selbstkastration"
- Vienna.at: Freie Wiener Kulturszene übt Kritik:“Stadt verweigert die Kommunikation”
- KURIER: Künstleraufstand gegen Mailath. Die freie Szene fordert eine neue Kulturpolitik für Wien – und mehr Geld
- DiePresse: Freie Wiener Kulturszene: „Würde oder Geld“
- Künstlerhaus: Eine andere Kulturpolitik!
- WUK: Freiraum muss erhalten bleiben!
- Helga Köcher: Kultur als Konditionierung?
- Daniel Aschwanden: Warum ich derzeit nicht um Förderung ansuche
- Karin Maria Pfeifer: Kritikpunkte und Vorschläge
- Gue Schmidt: SYNTAGMATISCHER DISKURS ÜBER RANDLAGE ODER ZENTRUM.
- Verena Schäffer: Forderungen Kulturpolitik 2015
- IG Architektur: PPP = ZUKUNFT OHNE ARCHITEKTURSCHAFFENDE
- Forum Österr. Filmfestivals: Eine andere Kulturpolitik ist möglich. Eine andere Förderpolitik ist nötig.
- Einladung zur Pressekonferenz Kunst- und Kulturschaffender zur Kulturpolitik Wien
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Unsere Forderungen an die Kulturpolitik
1. In Dialog treten
Derzeit findet paternalistische Kulturpolitik von oben statt, die Künstler_innen und Kulturschaffende marginalisiert und entmündigt.
Wir fordern, dass sich die Kulturpolitiker_innen endlich für echte Kommunikation auf Augenhöhe mit den Kunst- und Kulturschaffenden und deren Interessenvertretungen öffnen. Fördermodelle müssen mit den Betroffenen und deren Interessenvertretungen dialogisch erarbeitet und evaluiert werden, damit sie an die Bedürfnisse der Akteur_innen angepasst werden, anstatt wie bisher die Anpassung der Arbeitsweisen von Kunst- und Kulturschaffenden an deren Vorgaben notwendig zu machen.
2. Gegen Verwertungslogik
Geprägt von Standortparadigmen konzentriert sich die Kulturpolitik der Stadt Wien auf medial, parteipolitisch und touristisch nutzbare Institutionen, Events und Großveranstaltungen.
Kunst- und Kulturförderung müssen sich an künstlerischen Ansätzen und gesellschaftlicher und sozialer Notwendigkeit und nicht an Standortpolitik und Verwertungslogik orientieren. Das Kulturangebot muss sich dabei der demographischen und sozialen Realität der Stadt Wien anpassen.
3. Angemessene Kunst- und Kulturbudgets für die freie Szene
Die freie Szene hat nachweislich einen ganz entscheidenden Anteil am Kunst- und Kulturgeschehen und damit am unverwechselbaren Profil der Stadt. Der Anteil der Gesamtausgaben der Stadt Wien für Kultur, der für die freie Szene zur Verfügung steht liegt laut Studie „Kultur und Geld“ bei 2,5% und ist damit viel zu niedrig.
Wir fordern die Erhöhung des Anteils des Kulturbudgets für die freie Szene auf mindestens 10 %, um mehr Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Um die Leistungen der freien Szene sichtbar zu machen und einen Vergleich zu den erhaltenen Förderungen und den staatlichen Institutionen zu ermöglichen, muss eine Basisdatenerhebung in Auftrag gegeben werden.
4. Zugang zu Ressourcen – Bottom up statt Top down
Der Zugang zu Ressourcen für künstlerische Arbeit ist abhängig von sozialer Situation, Herkunft, Klasse, Alter, Gesundheit, Staatsbürger_innenschaft, Geschlecht*, Betreuungspflichten, sexueller Orientierung, Vernetzung und medialer Präsenz. Schlagworte wie „Exzellenzförderung statt Gießkannenprinzip“ und „Förderung unkonventioneller Initiativen“ verschleiern, dass Mittel gekürzt und Zugänge erschwert werden.
Wir fordern für Künstler_innen und Kulturschaffende mit unterschiedlichen Bedürfnissen gleichberechtigen Zugang zur Erfüllung ihrer Arbeitsvorhaben. Öffentliche Förderungen sollten nicht nur einigen wenigen, sondern einer möglichst breiten Schicht zugutekommen.
5. Kontinuität ermöglichen
Die derzeit übliche Reduktion auf kleinteilige Projektförderung zwingt Kunst- und Kulturschaffende zu einem permanentem Einreichmarathon, der alle ausschließt, die keine ausreichenden finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen für das Verfassen aufwändiger Anträge und Konzeptionen mitbringen. Wie die Ausschreibung Shift exemplarisch zeigt, bringen nur wenige Einreichungen finanziellen Erfolg (bei Shift 22 von 539). Selbst bei geförderten Projekten übersteigt der Aufwand häufig das Ergebnis, das oft nicht einmal die Produktionskosten deckt.
Wir fordern adäquate Möglichkeiten zur Realisierung unserer unterschiedlichen Arbeitsvorhaben. Kunst- und Kulturförderung muss Kunstschaffenden, Initiativen und Vereinen langfristiges Arbeiten ermöglichen. Dafür müssen die Budgets für Arbeitsstipendien und Strukturförderungen ausgeweitet werden. Der bürokratische Aufwand muss reduziert und Vergabemodalitäten transparenter und flexibler gestaltet werden. Projektförderungen müssen so bemessen sein, dass Künstler_innenhonorare darin enthalten sind und Basisförderungen an die Inflation angepasst werden. Bildende Künstler_innen sollen in öffentlichen Institutionen Ausstellungshonorare erhalten.
6. Infrastruktur fördern
Kunst- und Kulturschaffenden der freien und autonomen Szene mangelt es an Raum für künstlerische Produktion, Werkstätten, Veranstaltungen, Präsentation, partizipatives Arbeiten, Bildung und Kommunikation. Ebenso besteht Bedarf an konsumfreien Begegnungsräumen für alle, die kostenfrei nutzbar sind.
Die Schaffung und Erhaltung von selbstverwalteten, mietfreien und barrierefreien Räumlichkeiten durch Initiativen und Vereine müssen ermöglicht und gefördert werden. Die aktuelle Antwort der Politik, mittels der Agentur „kreative Räume“ prekäre Zwischennutzung anzubieten, ist dabei keine nachhaltige Lösung und nur ergänzend hilfreich.
Ebenso sind Public-private-Partnerships für öffentliche Einrichtungen abzulehnen, da es sich hierbei um eine teure und intransparente Entwicklung mit nachteiligen Effekten handelt.
7. Prekarisierung entgegentreten
Kunst und Kultur werden in großem Ausmaß in unbezahlter Arbeit geschaffen. Viele Kunst- und Kulturschaffenden der freien und autonomen Szene leben unter der Armutsgrenze und erwerben folglich unzureichende Pensionsansprüche. Sie gehören zu den im Krankheitsfall und im Alter am schlechtesten abgesicherten Bevölkerungsgruppen. Derzeit übernimmt die Kulturpolitik keine Verantwortung für diese Arbeitsbedingungen. Kunst- und Kulturschaffende sind immer wieder gezwungen, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, deren Regulierungen zudem vielfach mit den unplanbaren Erwerbsrealitäten von Selbstständigen unvereinbar sind. Auch die Arbeitslosenversicherung versagt zunehmend als soziales Netz. Prekäre Beschäftigungen und Scheinselbständigkeiten führen dazu, dass immer weniger Kunst- und Kulturschaffende überhaupt Ansprüche erwerben können. Und diejenigen, die Ansprüche auf Arbeitslosengeld erworben haben, können ihre Rechte nur dann geltend machen, wenn sie gravierende Berufsbehinderungen in Kauf nehmen, wenn sie ihre Pflichtversicherung und Tätigkeit auf Dauer beenden oder vorübergehend ruhend melden – doch Letzteres ist ausschließlich für Künstler_innen (definiert nach einem restriktiven Kunstbegriff) und Gewerbetreibende möglich.
Einmalige Almosen reichen nicht aus. Wir fordern eine adäquate Absicherung, die auf die Realität des prekären Kunst- und Kulturschaffens abgestimmt ist.
8.Transkulturelle Öffnung
Laut Mikrozensus haben mittlerweile 49 % der Bevölkerung in Wien Migrationshintergrund. Diese reale Vielfalt findet keine Entsprechung im Kulturbetrieb.
Die Kulturpolitik ist gefordert die Mehrsprachigkeit und die Vielfalt der Wiener Bevölkerung als Realität und Bereicherung anzuerkennen. Strukturelle und systematische Benachteiligungen müssen abgebaut werden. Die Organisationsstrukturen in Kulturinstitutionen brauchen Diversität auf allen Ebenen, die Programmgestaltung soll Inhalte und Produktionen fördern, die für Menschen mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen interessant sind und die Arbeitsbedingungen von migrantischen Künstler_innen sind zu verbessern.
9. Feministische und queere Positionen
Frauen* und Menschen mit queeren Identitäten sind im Kunstbetrieb noch immer benachteiligt. Feministische Forschung und Genderforschung sind mit ungenügenden Ressourcen ausgestattet.
Die Förderung von Frauen* und Menschen mit queeren Identitäten muss intensiviert werden und sich an deren Bedürfnissen und Ansätzen orientieren. Feministische und queere Postionen sind als fixer Bestandteil in Bildung und Forschung zu etablieren.
10. Gleichberechtigung älterer Künstler_innen
Ab einem gewissen Alter ist es für nicht arrivierte Künstler_innen weitgehend unmöglich, noch Förderungen zu erhalten. Förderaktionen öffentlicher Stellen sind meist an Alterslimits gebunden. Zeitgerechte Marktdurchdringung als alleiniges Kriterium für künstlerische Qualität zu setzen, ist fragwürdig. Künstlerische Karrieren in der freien Szene sind individuell und von vielen Faktoren und Zufällen abhängig.
Wir fordern Verzicht auf Alterslimits bei Förderaktionen und gleichberechtigten Zugang für Künstler_innen jedes Alters zu Förderungen.
11. Vereinbarkeit von Betreuungspflichten verbessern
Arbeit und Familie sind in Kunst- und Kulturarbeit schwer zu vereinbaren, was unter anderem an der prekären Einkommenssituation und an den notwendigen Abendterminen für Arbeit, Präsentation und Networking liegt.
Wir fordern Stipendien explizit zur Förderung von Künstler_innen mit Kinderbetreuungspflichten. Bei Ausschreibungen muss berücksichtigt werden, dass Karriereverläufe von Betreuungspflichten für Kinder oder alte und kranke Menschen unterbrochen und verzögert werden.
12. Konsumfreien öffentlichen Raum schaffen und erhalten
Mit der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums ist eine Verdrängung jener Personengruppen verbunden, die geringere finanzielle Ressourcen haben oder Straßen und Plätze alternativ zum konsumorientierten Angebot nutzen.
Die Zugänglichkeit des öffentlichen Raumes bildet die Basis einer solidarischen Gesellschaft. Kommunale Grünräume müssen erhalten oder bei Verlusten ersetzt werden. Um nichtkommerzielle Veranstaltungen in Parks zu ermöglichen, braucht es Pavillons mit Wasser- und Stromzugang. Um die Organisation und Ankündigung von gemeinnützigen Veranstaltungen zu erleichtern, ist es nötig, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren, infrastrukturelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen und die Plakatierfreiheit wieder einzuführen. Ebenso müssen die Auflagen für Straßenmusik und -theater reduziert werden.
13. Kreativität und Selbstbestimmung in der Bildung
Kreative Fächer werden in der Schulbildung zunehmend reduziert. Gleichzeitig werden universitäre Studien wirtschaftlichen Bedürfnissen angepasst, indem Möglichkeiten des selbstbestimmten Arbeitens unterbunden werden. Mit der Zentralmatura wurde der Spielraum für individuelle Schwerpunkte eingeschränkt.
Kreative Fächer und Literatur sind ebenso wichtig wie Naturwissenschaften und Sprachen, und sollten eher ausgebaut als reduziert werden. Kreatives Arbeiten entfaltet die Fähigkeit, sich auszudrücken und muss allen Kindern zugänglich sein. Niederschwellige Kulturangebote für Kinder sollen verstärkt gefördert werden.
14. Wien als TTIP-freie Kommune
Das Freihandelsabkommen TTIP gefährdet demokratische Strukturen, Lebensmittelsicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen. Es würde trotz Ausnahmeregelungen die kulturpolitischen Handlungsspielräume einschränken und die Lage von Kunst- und Kulturschaffenden verschlechtern.
Wir fordern, Wien als TTIP-freie Kommune zu deklarieren.
15. Solidarische und menschliche Flüchtlingspolitik
Freie Kunst- und Kulturarbeit erfordert Bewegungsfreiheit für alle. Wir fordern eine solidarische und menschliche Flüchtlingspolitik, die Menschen unabhängig von ihrer Herkunft die Chance gibt, in Wien, Österreich und Europa gleichberechtigt zu leben.
Foto: (c) Alexandra Gruber