Marcus Steinweg
Merve Verlag Berlin 2006

Vorwort

Instrument kopfstehend: Behauptung beidhändig,
Jeannot Schwartz
Weder in der Philosophie, noch in der Kunst geht es um Beweis oder Meinung. Es geht um eine Setzung, um Behauptung. Die Behauptung unterscheidet vom Beweis und der Meinung, dass sie ohne Gewissheit auskommen muss.

Behauptungsphilosophie / (Behauptungskunst) ist Philosophie / (Kunst) im Ungewissen. Sie überschreitet die Modalitäten herkömmlichen Denkens, wie Reflexion, Begründung, Kritik, und Argument. Es geht darum, als Subjekt im Ungewissen eine Wahrheit zu berühren und dieser Berührung eine Form zu geben, Sprache / (Bild).

Wahrheit ist der Name für die Grenze der Tatsachenwelt. Es gibt Philosophie / (Kunst) nur als Kontakt zu dieser Grenze, als eine den imperativen des Faktischen entzogene Behauptung. Die Wahrheitsberührung muss der Meinungsgewissheit und dem Tatsachenobskurantismus gleichermaßen widerstehen. Sie ist Berührung des Unberührbaren, und macht aus dieser Berührung eine Lebensform.

Das philosophische / (künstlerische) Leben ist kein Erkenntnisleben, weil es auf Wahrheit statt auf Wissen bezogen bleibt. Es geht nicht darum zu wissen, es geht darum, die Grenze des Wissbaren zu erfahren. Diese Erfahrung verlangt impliziert Wissen, aber sie erschöpft sich in keiner Erkenntnissekurität. Eine Wahrheitserfahrung bricht mit den Sekuritäten der Gewissheitsmodelle.

Als Subjekt der Wahrheit bewohnt das Subjekt die Kontaktzone von Wissen und Wahrheit. Während das Wissen als ein Besitz beschrieben werden kann, ist Wahrheit per definitionem unbesitzbar. Das Unbesitzbare besitzen – nenne ich Wahrheitsberührung als Lebensform.

Es ist die Erfahrung einer vollendeten Eigentumslosigkeit. Das Subjekt besitzt in dieser Erfahrung nicht einmal sich selbst. Es trägt sich wie etwas Fremdes und steht für sich wie für etwas elementar Unvertrautes ein.