Beitrag zu einer Ausstellung im Stadtmuseum St.Pölten anlässlich des 200. Geburtstages von Charles Darwin

Darwins Evolutionstheorie ist eng mit seiner bildlichen Darstellung verknüpft und zugleich entkoppelt.
In seinem theoretischen Werk legt er den Schwerpunkt auf den Überlebenskampf und in Folge auf die Auslese. In seinen bildlichen Darstellungen betont er jedoch das Prinzip des Zufalls, der Unordnung, des Unvollkommenen und der Variation. “Survival of the fittest” ist in vielen Sprachen und Kulturen zum geflügelten Wort geworden.
Bezug nehmend auf diese beiden gegenläufigen Momente teilt sich formal auch meine Arbeit. In den Digitaldrucken greife ich den narrativen Akzent von Darwins Arbeit auf. Zum Teil auf ironische Art werden mögliche und unmögliche Ergebnisse der Entwicklung der Arten postuliert.
In den Zeichenrollen hingegen lehne ich mich an Darwins Bilder an, spiele mit formalen Akzenten und zeige scheinbar logische Entwicklungen. Durch ständige Wiederholung entstehen geringfügige Veränderungen; es werden subtil neue Muster erzeugt, neue Variationen entstehen und scheinen Produkte eines zeitlichen Prozesses zu sein.

God : The Fossil Record
von Mag. Silvie Aigner

„Das bei weitem wichtigste Ereignis in meinem Leben”, so bezeichnete Charles Robert Darwin seine Reise auf dem Forschungsschiff der „HMS Beagle“, das unter Kapitän FitzRoy am 27. Dezember 1931 in See stach. Fünf Jahre lang bereiste und erforschte Darwin die Welt. Bei seiner Rückkehr brachte er nicht nur angeblich die Riesenschildkröte Harriet mit, die erst im stolzen Alter von 176 Jahren, 2006 in einem australischen Zoo starb, sondern vor allem eine Vielzahl von naturwissenschaftlichen Aufzeichnungen und Fundstücken, die zur Basis seines wichtigsten Werkes „On the Origin of Species by Means of Natural Selection (Über die Entstehung der Arten)”, erschienen 1859 wurden. Seine Erkenntnis, dass Pflanzen, Tiere und auch der Mensch ihren Ursprung aus anderen Lebewesen hatten und nicht als unveränderbare Spezies von Gott geschaffen wurden, sprengte nicht nur die Grenzen der damaligen Naturwissenschaft, sondern auch das Weltbild einer breiten Öffentlichkeit. Die Massenpresse verkürzte Darwins Theorie auf die Abstammung des Menschen vom Affen und die damals kaum nachvollziehbare Verwandtschaft von Tier und Mensch. Darwin wurde angefeindet, kritisiert und in zeitgenössischen Karikaturen verspottet. Die spätere Forschung gab Darwin Recht, doch steht seine Theorie bis heute für die Diskussion über die Vereinbarkeit von Evolution und Religion und zeigt wie Massenmedien die Bildung und Verbreitung von Klischees über die „natürliche Selektion“ begünstigten. Dennoch, das Buch war rasch vergriffen und musste neu aufgelegt werden. Darwin selbst, der nach einem abgebrochenen Medizinstudium Theologie studierte, sah in der Evolution übrigens keinen Gegensatz zum religiösen Glauben und bezeichnete sich „niemals als Atheist in dem Sinne, dass ich die Existenz Gottes geleugnet hätte“, wenngleich er diese für unbeantwortbar hielt. Wohl auch deshalb, weil sie nie wissenschaftlich belegt werden kann.
God:The Fossil Record?
Für die Kunst stellte die naturwissenschaftliche Arbeit von Charles Darwin ein fruchtbares Interessensfeld dar. So reflektierten u.a. Gabriel von Max, Odilon Redon, Arnold Böcklin, oder Max Ernst auf die naturwissenschaftlichen Diskussionen. Die Reflexionen auf Darwin in der zeitgenössische Kunst sind vielfältig und verbunden mit biologischen, gesellschaftlichen aber auch sozial-ökonomischen Themen der Gegenwart.
In der von Martin Huxter kuratierten Ausstellung nehmen aus Anlass des doppelten Jubiläumsjahres neun internationale KünstlerInnen in ihren Werken Bezug auf den Naturforscher Charles Darwin und auf sein großes Thema der Wandelbarkeit und Veränderlichkeit der Lebensformen. Die KünstlerInnen, Hubert Blanz, Peter Braunsteiner, Paul Bush, Martin Huxter, Waltraud Palme, Mark Rossell, Martina Tscherni, Margret Weber-Unger, greifen dabei die Faszination Natur ebenso auf wie ihren Reichtum an Variabilität sowie die formalen Muster ihrer naturwissenschaftlichen Klassifizierung oder ihrer charakteristischen, kollektiven musealen Aufbewahrung. In unterschiedlichen Medien und in einem breiten thematischen Spektrum des künstlerischen Zugangs, wird Darwins Theorie, seine Reisen, seine Schriften aber auch seine öffentliche Darstellung einer zeitgenössischen Interpretation unterzogen. Diese sind zuweilen von einem persönlichen Zugang geprägt aber auch durch das Aufgreifen seiner Thesen, wie jener des Überlebens durch Fitness und Selektion, die durch den englischen Filmemacher Frederick Baker und MedienstudentInnen der FH St. Pölten als gesellschaftlich brisantes Thema der Gegenwart dargestellt wird. Wie der Titel der Ausstellung bereits subtil-ironisch andeutet, stellt die Diskussion über die Vereinbarkeit von Evolution und Religion, die durch die Bewegung des Kreationismus in Amerika wieder an Popularität gewonnen hat einen weiteren Schwerpunkt dar.
Wissenschafter beschäftigen sich zu beobachten und zu beschreiben mittels spezieller Methoden was gemeinhin nicht immer sofort zugänglich ist. Die Kunst hat jedoch das Pouvoir diese komplexen Erkenntnisse unmittelbar und direkt sichtbar machen. Sie übersetzt dabei die zeitliche Immanenz des Themas ebenso wie konkrete inhaltliche Bezüge in die vielfältigen Möglichkeiten der Kunst.


Bambi und Mädchen, 120×130cm, Digitaldruck, Stickerei auf Stoff


Halbierter Hirschkäfer, 120×120cm, Digitaldruck, Stickerei auf Stoff