Eine verwirklichbare Utopie

digitale-europakarte.de

Summary

Vorgeschlagen wird die Einrichtung eines „European Round Table of Researchers“ renommierter Persönlichkeiten aus Sozial- und Politikwissenschaft, Zeitgeschichte, Philosophie, Rechts-, Wirtschafts- und Kulturwissenschaft.

Ausgangslage

Die Europäische Union ist als Modell, einen gemeinsamen Lebensraum für eine Vielzahl von unterschiedlichen Staaten, Ethnien, Kulturen und Religionen zu schaffen, von fundamentaler Bedeutung. Verantwortlich für die blutigen Auseinandersetzungen, die so lange die europäische Geschichte dominierten, waren stets macht- und territorialpolitische Interessen und Entscheidungen, die nicht das Wohl der Menschen, sondern Ideologien verfolgten. Die Katastrophen der beiden Weltkriege bewogen verantwortungsbewusste Politiker, in Überwindung ihrer Partikularinteressen und Ängste und Verletzungen diese Europäische Union zu entwickeln.

Nun ist dieses einzigartige Friedensprojekt jedoch bedroht. Wieder beherrscht eine Ideologie die Politik: das neoliberale System führt zu einer kontinuierlichen Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich und damit verbunden zu wachsenden sozialen Spannungen und einem Wiederaufflammen von rechtsradikalen Tendenzen. Das dominierende Paradigma „Wettbewerb“ verstärkt zunehmend die zentrifugalen Kräfte. Geopolitische Überlegungen dominieren, während große Teile der Bevölkerung verarmen und der jungen Generation vor allem an den Rändern der EU Perspektiven fehlen.

Frühere Ansätze:

1998 formulierte Pierre Bourdieu seine Ideen für ein soziales Europa in seinem Konzept „Raisons d’agir“, das jedoch nach seinem Tod 2002 zum Erliegen kam.
2003 gab es eine von Jürgen Habermas initiierte „konzertierte transatlantische Aktion“, – gleichzeitig erscheinende Beiträge von Habermas, Derrida, Umberto Eco, Adolf Muschg, Richard Rortry u.a. in den großen europäischen Zeitungen – ein starkes Standing gegen den immer mehr um sich greifenden Neoliberalismus. Dazu der FAZ-Artikel Habermas und Derrida. Nach dem Krieg: Die Wiedergeburt Europas..

European Round Table of Researchers

Die gegenwärtige Situation legt es dringend nahe, mit einem „Europäischen Weisenrat“ ein Beratungsgremium für die Kommission der Europäischen Union einzurichten, das in der Vielzahl von komplexen gesellschaftlichen Fragen Hilfestellung geben kann.

Ein vergleichbares Instrument von Seiten der Industrie gibt es ja bereit seit 1983 mit dem European Round Table of Industrialists, der langfristige wirtschaftsfreundliche Strategien entwickelt und in Treffen mit Mitgliedern der Europäischen Kommission, einzelnen Kommissaren oder dem Kommissionspräsidenten Einfluss nimmt, um die Richtung des Integrationsprozesses innerhalb der EU zu gestalten. Mehr dazu. Diese von den CEOs von Volvo, Philips und Fiat ausgegangene Initiative war die Antwort auf die Frage des damals zuständige EU-Kommissars Etienne Davignon “Wen kann ich anrufen, wenn ich mit der europäischen Industrie sprechen will?”

Die Kommissare für Umwelt, für Klimapolitik, für Gesundheit und für Verbraucherpolitik, für Internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Krisenreaktion nehmen wahrscheinlich auch die Unterstützung der verschiedenen hochprofessionellen NGOs in Anspruch.

Doch die Kommissare für Forschung, Innovation und Wissenschaft, für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend, für Beschäftigung, Soziales und Integration, für Regionalpolitik, für Entwicklung, für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik brauchen ebenso kontinuierliche profunde Beratung, die weder vom ERT noch von NGOs geleistet werden kann.

Der vorgeschlagene „European Round Table of Researchers“ wird der Europäischen Union sowohl Lösungsansätze für die großen anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen bieten als auch die Basis der europäischen Werte glaubhaft untermauern und vermitteln, an denen es gegenwärtig in der öffentlichen Wahrnehmung mangelt. Er wird den weithin fehlenden europäischen Diskurs – auch medial – beleben und damit zu der so nötigen stärkeren Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit Europa beitragen und das intellektuelle Potential Europas wieder besser verdeutlichen.