Als junger Mensch in Wien einen Kunstverein zu gründen ist ein ambivalentes Abenteuer. Von den Freunden wird man belächelt, von der Familie notgedrungen unterstützt, von der institutionell dominierten „Szene“ schief angeschaut. Nach zwei, drei Jahren werfen die meisten das Handtuch. Alexandra Grausam hält bereits das fünfte Jahr durch, und „das weisse haus“, das sie gemeinsam mit Elsy Lahner gegründet hat, ist mittlerweile selbst eine Art Institution.
Das Konzept ist auch umwerfend, nämlich vazierend: Man besetzt (legal natürlich) immer andere leer stehende Gebäude in der Stadt. Viermal ist man bereits weitergezogen, hat schon nobel in der Wollzeile logiert, in einem ehemaligen Magistratsgebäude. Jetzt macht man in einer ehemaligen Schule hinter der Karlskirche Station. Künstler, die hier ausstellen wollen, müssen bei einer der Einreichungen mitmachen, die alle ein, eineinhalb Jahre stattfinden. Aus diesen wählte erst eine Jury, zuletzt Grausam selbst aus. „Beim ersten Mal haben sich 100 beworben, jetzt sind es schon 300“, sagt sie. Finanziert wird das Ganze über (immer noch sehr spärliche) Mitgliedschaften, Sponsoren (Erste Bank) und Subventionen von Land, Stadt, Bezirken.
Diplom über ein Wachsbild von Nitsch
Seit Lahner als Kuratorin in die Albertina wechselte, managt die 1973 geborene Wienerin, Mutter einer Tochter, „das weisse haus“ allein, unterstützt von einem kleinen Team. Am Anfang musste sie ehrenamtlich durch, jetzt geht’s besser. Als zweites Standbein hat Grausam einen Brotberuf, sie ist Restauratorin, hat in Wien und München studiert und über ein Wachsbild Hermann Nitschs am Lenbachhaus Diplom gemacht. Dann ging sie für drei Jahre nach Amsterdam, spezialisierte sich auf Gemälde und Zeitgenössisches. Seit 2006 arbeitet sie für Francesca Habsburgs Kunststiftung T-B A21.
Als Grausam eines Tages einem Sammler, der Immobilienhändler war, von ihrer Idee erzählte, einen vazierenden Kunstverein zu gründen, brachte er sie mit Lahner zusammen, die damals in einer Wiener Galerie arbeitete – und er stellte ihnen das erste Haus zur Verfügung. Es stand in der Westbahnstraße – und war von Künstlern von Dach bis Sockel weiß gestrichen worden. „das weisse haus“ war geboren, „der Name war kein politisches Statement“, scherzt Grausam. Am 11. Dezember 2007 eröffnete man die erste Ausstellung; Grausam erinnert sich noch genau: „Es hat geregnet, aber es sind trotzdem viele Leute gekommen.“ Es war ein guter Zeitpunkt zu starten, damals hatten gerade viele Off-Spaces geschlossen. „Wir wollten aber von Anfang nicht irgendein Off-Space sein, sondern haben institutionelle Elemente eingeführt, auch wenn der Raum manchmal wild aussah. Trotzdem hatten wir immer ein durchgeplantes Programm und fixe Öffnungszeiten“, erklärt Grausam, es gibt Führungen, eigene Editionen, Sonderprojekträume und ein Artist-in-Residence-Programm.
Nach einem Jahr mussten sie das ursprüngliche „weisse Haus“ räumen. „Ich liebe es, leer stehende Gebäude zu entdecken. Trotzdem ist es immer ein kleiner Schock, wenn der Anruf kommt, dass wir weitermüssen.“ Obwohl man immer noch eine Herberge gefunden hat, mittlerweile die vierte. In der Wollzeile 1 hinterließ man die Spuren der bisher spektakulärsten Aktion: Michail Michailov schrieb in riesigen Buchstaben bewusst falsch „Ich fergebe dir“ auf das Dach, vom Stephansdom aus bestens sichtbar. Eine Botschaft der Nächstenliebe einmal von der anderen Seite, gerichtet an die Kirche, ans offizielle Österreich.
Bis Ende 2013 hofft Grausam jetzt aber in der alten Schule, etwas verborgen in einem Hinterhof der beginnenden Argentinierstraße, bleiben zu können. Rund 400 Quadratmeter plus Hof stehen ihr hier zur Verfügung. Raum und Charme genug, um den besten jungen Kunstraum und Kunstverein der Stadt zu machen.
(Almuth Spiegler, diePresse 28.09.2012)