“Objekt” sowie eine Auswahl von zugehörigen Zeichnungen für die Performance/Rauminstallation “Ergänzungen“
Gertrude Moser-Wagner, Objekt, O.T., Gips, Keramik, 1981
Dieses Objekt entstand zu Ende meines Bildhauerstudiums und ich hatte (zum anfänglichen Schrecken meines Professors) angekündigt, dass ich das Thema Geburt zum Diplom verarbeiten möchte. Dazu arbeitete ich dann auch mit einem schwangeren Modell, das ich über Annoncen fand und mir die Akademie finanzierte. Am Bauch als Figur interessierte mich Innen/Außen, Schwerkraft, die Positiv-Negativform und diese Spaltung im Moment der Geburt als ein Entkoppeln zweier Kreisläufe („Unskulptur“ ist mein Begriff aus dieser Zeit – d.h. der Bauch fällt auf sich selbst zurück).
Heute sehe ich darin die Lösung einer Thematik, die mich danach künstlerisch vordergründig nicht mehr beschäftigte, im sozialen Leben hingegen sehr wohl. Wenngleich Motive wie Vulkan, Kugel/Kreis, Prozess- und Zeitaspekte in späteren Arbeiten wiederkehren, so ist mir doch vor allem das Forschen am Lebendigen als Methode geblieben und darin ein zeichnend-skripturales Denken.
Ich habe mit kleiner Tochter studiert und war am liebsten ihre Zuschauerin, weil ich es unglaublich spannend fand, wie sich beim Menschen Sprache, Phantasie, Sozialverhalten entwickeln. Ich habe daher (selber) viel gespielt und gestalterisch interagiert. Diese Preziose namens Zeit! In jenen Jahren empfand ich das Zeitproblem als (moralische) Ermessensfrage – wieviel Zeit ich der Kunst widmen dürfe und wie viel ich der Familienarbeit widmen müsse. Bald nach dem Diplom wurde ich Lehrbeauftragte in der Malerklasse von Arnulf Rainer an der Akademie. Ich lernte durch diese oft anstrengende Mehrfacharbeit mich gut zu organisieren und praktizierte vor allem das Talent, meine Energie auf Viele(s) aufzuteilen, einen Überblick zu gewinnen, etwas rasch voranzubringen.
Kinder zu haben bereichert und erweitert die Person in alle Richtungen, nicht nur anfangs als natürlich-körperliche Ausbuchtung. Das Thema transformiert sich geistig in das Feld der Kunst, die ihrerseits dieses elementare Potenzial theoretisch aufgreifen sollte (ich erinnere an die Ausstellung von Mary Kelly in der Generali-Foundation, 1998). Mutterschaft steht nur scheinbar im Widerspruch zur Kunst, einfach weil die Zeit für Fachgespräche und für Rückzug ins Atelier abnimmt. Der Vater ist somit in seiner Rolle gefordert und der Ausbau gesellschaftlicher Einrichtungen, die eine gute Kinderbetreuung garantieren. Inzwischen gibt es längst einen Kindergarten an der Akademie.
Gertrude Moser-Wagner, Bildhauerin. Konzept- und Projektkünstlerin, Wien. Kunstprojekte, derzeit: „art goes science I-IV“, seit 2008 in Ventotene, Rom, Wien, Belgrad. Demnächst: EINDAZWISCHENKOMMEN, Foto FLUSS, Schloss Wolkersdorf 2011 (Kuratorin). Publikationen, zuletzt: ZUGUNRUHE (Hg) Sonderzahl Verlag Wien, 2010. „Widerspruchmeter, G. Moser-Wagner – Konzepte, Projekte, Interventionen“, Bibliothek der Provinz, 2009.