unORTnung V, Ankerbrotfabrik, 2009

Daniel Aschwanden. „Sudden death of a dancer modul 1 & 2“.
Performance. 2009
Aschwanden untersucht, wie das eigene und das kollektive Gedächnis mediale Todes-Ikonen aus Film und Fotografie gespeichert haben, re-enactet Konstruktionen des filmischen Sterbens durch Erschiessen.

Gemeinsam mit Amateuren und Profis inszeniert er die seltsamen Choreografien eines Körpers, der durch einen Schuss oder Schüsse gewaltsam aus seinen Gleichgewichtszusammenhängen gerissen wird. Performativ werden die sich ambivalent gegenüberstehenden Kulturtechniken von Tanzen und Schiessen zusammengeführt, choreografiert und auf den jeweils medial verdoppelten Tod zugespitzt. Auf der einen Seite tanzende Körper, auf der anderen Bilder des Einbruchs der nackten Gewalt über den Schuss. Im ver-queeren Ansatz resultiert so aus dem Verkörperungsakt medialer gegenwart ein fröhliches Sterben, welches in der Ästhetik eines Werbeclips gestaltet wird. Man könnte sagen, Daniel Aschwanden lässt den Tod üben. Nur ist der Tod, der kommt niemals der Tod den man übt

Johannes Stoll. „Schatten 2009“. Projektion. 2009
Ausgangsmaterial für die Intervention in der ehemaligen Ankerbrotfabrik ist eine Annonce aus dem „Neuen Wiener Journal“ vom 19. März 1938. Nach der Entlassung jüdischer MitarbeiterInnen aus der Ankerbrotfabrik weist die „Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation“ darauf hin, dass ab dem 15. März 1938 der Betrieb unter einer „rein arischen Leitung“ geführt wird und nun „1600 arische Mitarbeiter“ beschäftigt.
Dieses Dokument der Naziherrschaft soll diesen historischen „Unort“ in Erinnerung rufen.

Elke Krasny/ Cynthia Schwertsik. „Last Name“. 2009
Texte und Fotografien.
“Last Name” ist eine namentliche Assoziationskette, die Frauenvornamen setzen Geschichte(n) in Gang: wie könnte das Leben von Doris oder Erika, Viktoria oder Hermi verlaufen sein, für welche wilden, abenteuerlichen, skurrilen, von der Norm abweichenden oder “ganz gewöhnlichen” Frauenbiografien stehen diese Vornamen ein, was für ein Leben verbirgt sich hinter diesen lapidaren Kürzeln ohne Nachnamen? Diese Frauenvornamen werden zum Sprechen gebracht, zu Leben erweckt und in einem anderen Kontext veröffentlicht. Fotos und Texte fangen die Namen ein, in den abbildungen taucht der öffentliche Raum der Stadt auf, in den Texten die mögliche gelebte weibliche Geschichte als Geschichte des privaten Raums, die den öffentlichen streift, berührt, mitbestimmt und mitgestaltet.

Mizzi Schnyder feat. Raalrohm. „Luftschloss“, Raum- und Soundinstallation
. 2009.
Eine schwebende Architektur wird aus Elementen der Ankerbrotfabrik generiert und in Papier nachgebildet. Die Form referenziert Teile des späthistoristischen Kerns der Industriebrache.

Nicht ohne Ironie ist die Tatsache, dass ausgerechnet der Name des Arbeiterbezirkes von der ‘Favorita’, einem abgekommenen barocken Jagdschloss, abgeleitet wurde. In der Arbeit geht es um die Konfrontation dieser beiden gleichermaßen abstrakten Ideen: So gerät das feudale oder absolutistische Schloss in den industriellen Großbetrieb als Inbegriff der zugehörigen Gesellschaftsform.

Raalrohm, die junge musikalische Zusammenarbeit der Künstler Paul Raal (DJ und Synthesizer-Programmierer) sowie Matthias Rohm (DJ und Software-Experte) inszenieren die Installation mit einem zweistündigen soundscapemix.

Silke Maier- Gamauf. „nomad field“. 2009
Sie wechseln den Wohnort des Arbeitsplatzes wegen – brechen die Zelte ab und stellen sie anderswo auf – bearbeiten immer wieder neue Felder. Diese „modernen“, nomadischen Lebensweisen nehmen weltweit zu.
Die Basis von nomad field bilden Interviews mit ArbeiterInnen der Ankerbrot AG, welche häufig den Arbeitsplatz gewechselt haben oder deren Wohnort an Bodenhaftung verlor. In weiterer Folge beziehen sich die Fragestellungen auch auf Dauer der Tätigkeiten, soziales Umfeld, Selbstbild bzw. Identität und Alltagsrituale.
Die Gespräche werden in Form von Tonfrequenzkurven auf Zeltböden übertragen – so werden die Zelte zum Bildträger und von der Decke hängend präsentiert. Die Zeltplanen bestehen aus hauchdünner Kunstseide – denn diese Lebensform vermag Privates und Intimes kaum zu verbergen und greift ein –„when I move across the country a lot of times that completely changes my relationship with people“ Interview M. Gillespie.
Zum Soundteppich verwoben – teils in den Zelten adaptiert – werden Gesprächsmitschnitte aus den Interviews, Klänge und Geräusche (auch aus der Ankerbrot AG) hörbar.

Thomas Wagensommerer als dotcom[plot]. „you/rr/atio“. 2009
Das Projekt “you/rr/atio” abstrahiert den Raum. Es ist eine Liebesbekundung an seine Form(en). Die Arbeit basiert ausschließlich auf – dem Raum eigenen – Verhältnissen und Zahlenwerten. Die Zahl als nicht existierende und unbegründete Annahme. Der Mensch weiß über die Zahl mehr als die anschauliche Form des Zeichens. Er weiß auch über die Möglichkeit zur Gestalt aufgrund der Zahl, aufgrund der Proportion. Der Raum ist also Form und Formgebender. Er ist Parameter und Ausführender. Die Zahl ist Zeichen und Funktion. Art der Arbeit: A/V-Endlosschleife, Mittel: NI Reaktor & Processing http://dotcomplot.blogs.sonance.net

Ehemalige Ankerbrotfabrik, Puchsbaumgasse 1, 1100 Wien
und auf Radio ORANGE 94.0

Kuratiert von: Veronika Barnas und Georg Schöllhammer

Eröffnung: 17. April 2009, 19 Uhr (Performances: Hilde Fuchs. Bah vs Liii Superviced)

Öffnungszeiten:
Sa. 18.04. 14 – 20 Uhr (Performance: Daniel Aschwanden.)
So 19.04.: Brunch 11 – 20 Uhr (Performance: Daniel Aschwanden.)
Radio ORANGE 94.0: Fr. 17. 04.- So 19. 04.: 16 – 16:30 Uhr

TeilnehmerInnen:

Maria Anwander. Daniel Aschwanden. Bah vs.Liii Superviced. Miriam Bajtala. Sigbjörn Bratlie/Arne Langleite. Kirsten Borchert/Larissa Leverenz/Björn Westphal. Daniel Chluba. Elisabeth Czihak. dotcom[plot]. Silvia Ederer. Eloui/Nicole Miltner/Gerald Naderer/Heimo Prünster/Benjamin Tomasi. Judith Fischer. Hilde Fuchs. Julie Kierkegaard Galsbo. Martin Grandits. Haas/Mayer/Mickal. Karin Hammer/Hummerchips/David Krems. Frank Hagen. Romana Hagyo. Beate Hecher/Markus Keim. Lukas Heistinger. Paul Horn. Katrin Hornek. Harald Hund. isebuki. Karl Kilian. Martin Kitzler. Klara Kohler. Christoph Kolar. Mike Kostner. Elke Krasny
Cynthia Schwertsik. Karl Kühn. Silke Maier-Gamauf. Liesl Raff. Christian Ruchnewitz. Liddy Scheffknecht/Armin Wagner. Mizzi Schnyder feat. Raalrohm. Frederike Schweizer/Sissa Micheli. Johannes Stoll. Gabriel Tempea. Johanna Tinzl/Stefan Flunger. Julian Turner. Gerhard Veismann. Simon Veres. Letizia Werth. Flora Watzal. Peter Wehinger.

Die Ausstellungsreihe „unORTnung“, die sich der temporären Besetzung leerstehender Räumlichkeiten in Wien, zur Bespielung durch ortsspezifische künstlerische Interventionen verschrieben hat, fand
in ihrer „V“ Runde auf auf 3000qm der ehemaligen Ankebrotfabrik statt.
Favoriten ist gekennzeichnet durch eine enorme Dichte an Wohn-/Gemeindebauten und großer Baudynamik, bei gleichzeitigem außer Acht Lassens dieser Kapazitäten für eine aktive kulturelle Entwicklung. Inzwischen wohnen 10% der Einwohner ganz Wiens im 10. Bezirk und somit besitzt Favoriten mehr Einwohner als Linz.

KünstlerInnen aus verschiednen Disziplinen wurden eingeladen sich mit den oben angeführten Fakten inhaltlich, räumlich sowie künstlerisch auseinander zu setzen, speziell für den Ort interdisziplinäre Projekte zu entwickeln, den Stadt-Raum mit seinen ungenützten Nicht- bzw. unORTen im Recycling-verfahren zurück zu erobern.

„unORTnung“ wurde dieses Mal auch um die akustische Dimension erweitert, mit einem Schwerpunkt auf akustisch raumgreifende Werke, die im erweiterten Ausstellungsraum auf Radio Orange am Ausstellungs-
wochenende gesendet werden.

„unORTnung I- IV“ haben gezeigt, wie sinnvoll und kreativ unORTe sichtbar gemacht werden können und wie wertvoll es für Stadtentwicklung und Bezirke sein kann, diese Orte und Plätze in die
Aufmerksamkeit zurückzuholen. Konkret für diese Nicht-Orte angefertigte Arbeiten machen nicht nur
auf sich selbst aufmerksam, sondern verführen auch zur Weiternutzung und zum Perspektivenwechsel in
Bezug auf Städtenutzung und der Einbindung von Anrainerinnen.Sie verweisen auch auf die Wichtigkeit
neuer künstlerischer Präsentationsformen in Wien, insbesondere im Bereich der
„Kunst im öffentlichen Raum“ und der„off-space-szene“.

Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt von: http://www.loftcity.at/

Unterstützt von: bm:ukk, ma7— Kunstangelegenheiten