Daniel Aschwanden
Performer, Choreograf und urban practitioner im Kontext von zeitgenössischem Tanz und Performance

Warum ich derzeit nicht um Förderung ansuche

Ich arbeite seit vielen Jahren als Performer und Choreograf in der freien Szene dieser Stadt. Schon länger haben sich meine Schwerpunkte verschoben: Ich widme mich Themen des öffentlichen Raumes, der Digitalisierung der Gesellschaft und ihren Folgen, arbeite experimentell, transdisziplinär, prozessorientiert, oftmals jenseits der Institutionen und ihrer allzu linear auf die eigene Reproduktion ausgerichteten Interessen. Ich arbeite professionell und benötige dafür einen minimalen ökonomischen Kontext. Hinter diesem steht im optimalen Fall eine Wertschätzung der Arbeit seitens der Fördergeber. Die jüngste Entscheidung des eingesetzten Kuratoriums (Ablehnung einer Jahresförderung) entzieht meinem Schaffen jedoch die Mindestgrundlagen, die ich für eine professionelle Umsetzung benötige.

Gegenwärtig empfinde ich ein großes Unbehagen gegenüber dem Gebrauch der Förderinstrumente durch die Stadt und ich stehe damit nicht alleine. Ein System, das eine Zeit lang einen Konsens herzustellen vermochte zwischen den Interessen der arbeitenden KünstlerInnen und der Stadt, hat diesen Konsens verlassen: Es reproduziert sich selbst und ist mit den Schaffenden, den Prozessen der zeitgenössischen Kunst und den dringlichen Themen der Stadt nicht mehr in Kontakt. Überstrapaziert durch jahrzehntelange ökonomische Stagnation, ausgelaugt durch inhaltliche Undifferenziertheit und Trägheit – wesentliche Punkte, der einstmals formulierten Theaterreform wie zB. offene (Ko-) Produktionsformen wurden nicht realisiert, geschweige denn weiterentwickelt – , und vor allem geprägt durch den Verlust einer weiter gefassten Vision jenseits simpler Marktmechanismen, kann das Fördersystem der gegenwärtigen Situation nicht mehr gerecht werden. Unter Druck beginnt es zynisch und irrational zu agieren. Stillschweigend werden erfolgreiche Projekte selbst arrivierter Schaffender beschädigt und demontiert. Die berüchtigte „Giesskanne“ muss als Problemlöser herhalten und an immer mehr Schaffende immer weniger substantielle Beträge vergibt – offenbar mit dem einzigen Ziel politisch Ruhe zu schaffen. Insgesamt schafft das ein Klima der Frustration und Desorientierung.

Es braucht generell eine gesellschaftliche Neubewertung von Kunst und Kultur im Kontext des Urbanen. Es ist notwendig, die vielen Kunstschaffenden mit ihrer künstlerischen Kompetenz- auf Augenhöhe stärker einzubinden und damit zu unterstützen. Die unglaublich hohe Anzahl der SHIFT–Einreichungen (565) zeichnet ein deutliches Bild des Drucks, unter dem wir Kunstschaffenden stehen. Ich empfehle, neue Diskurse zu führen – mit den Beteiligten, aber auch den anderen städtischen Playern (Tourismus, Stadtplanung, Finanzen, …) Es sind Ökonomien denkbar, welche die Schaffenden aus der verordneten Position von BittstellerInnen holen und dem unwürdigen Dumpingspiel unter dem Motto „Darf es etwas weniger sein“ ein Ende setzen, zu dem das Fördersystem gerade verkommt. So wie die Nachwuchsförderung ist auch ein seriöser Umgang mit Alter notwendig, da sich immer mehr künstlerische Lebenskarrieren innerhalb der freien Szene abspielen.

Gerade angesichts des Mangels sind gezielte Infrastrukturmaßnahmen nötig, um das Versprechen und Gebot der Dezentralität von Kunst und Kulturstrukturen im urbanen Raum einzulösen. Ankerpunkte für Schaffende wären multifunktionale, für transdisziplinäre Arbeitsweisen geeignete und auch auf hochwertige, zeichenhafte junge Architektur ausgelegte Räume. Sie wären Basis für unterschiedliche experimentelle und prozessorientierte Kunstproduktionsformen sowie für Arbeiten, die in den Stadtraum ausstrahlen und sich lokal, national und international vernetzen.

Es ist schwer zu akzeptieren, wenn Kulturpolitik sich sehenden Auges in Stillstand versetzt, wenn wichtige und dringliche Impulse der Gegenwart nicht mehr aufgenommen werden und deshalb nicht umgesetzt werden können und so die Potentiale der Zukunft verspielt. Ich schäme mich dafür, dass Wien es offenbar aufgegeben hat, den Herausforderungen der Zukunft mit Format und Vision entgegenzutreten. Besonders deutlich wird das an den großen städtebaulichen Vorzeigeprojekten von Aspern Seestadt bis Hauptbahnhof: Kunst und Kultur wird dort zur Marginalie degradiert – bei gleichzeitigem inflationärem Gebrauch von Begriffen wie „Smart City“ und „europäischer Dimension“.

Dem Kunstfeld kommt eine wichtige Aufgabe im Spüren, Artikulieren und Vermitteln der kommenden Umbrüche zu. Dafür sind neue Strukturen nötig.
Man kann mit Mangel umgehen – wenn basierend auf einem Konsens Solidarität besteht. Auch dafür kann man Rahmenbedingungen schaffen. Dafür sind natürlich die KulturpolitikerInnen gefragt, aber genauso wir Schaffenden.